Stromschlag und Gewissenbildung

Trauma ist keine Krankheit

Stromschlag

und Gewissensbildung

Menschen, die mich sehr gut kennen, wissen von meiner Angst vor Strom. Ein Weidezaun stellt für mich eine große Herausforderung dar.

Ich weiß nicht, ob ich das in diesem Leben noch aus mir herausbekomme, genauso wie meine Angst vor Spritzennadeln. Das ist immer noch in mir und meiner Lebensumstände geschuldet. Ich kann mittlerweile eine Spinne mit Hilfsmittel einfangen, auch eine Spritze tolerieren, aber wirklich nur, wenn ich mich vorher darauf einstimme und vorbereite.

Da ich mit der Medatiomethode Traumen aus dem Zellgedächtnis löse, weiß ich sehr genau, woher meine Angst vor Strom kommt.

Vorgeschichte:

Ich erinnere mich an eine Situation, wo mich meine Mutter täglich zu einem ihrer Küchenhilfe Jobs mitschleppte. Wir waren mal wieder im Gasthaus und ich spielte im Hinterhof. Dazu muss man erwähnen, dass die Wirtsleute ebenfalls zwei Kinder hatten. Ein Junge namens Robert, genannt „Roberti“, und ein Mädchen im Babyalter. Robert war ein Jahr jünger als ich und hatte sehr große Angst vor Spinnen. Ich übrigens auch. Interessanterweise habe ich es mir nicht anmerken lassen.

Robert war für mich eigenartig. Ich hatte bemerkt, dass er sehr schnell weinte und auch schnell aufgab. Und, das Beste, Robert hatte im Hinterhof ein eigenes Holzspielhaus.

Seine Angst nutzte ich schamlos aus, um täglich die Oberherrschaft über sein Holzspielhaus zu bekommen. Ich behauptete, ich hätte eine Riesenspinne in seinem Spielhaus gesehen, ganz hinten und lauernd. Er war nicht mehr zu halten und lief weinend davon. Das funktionierte. Wahrscheinlich lief er wieder zu seiner Mama, die mich des Öfteren ermahnte. Was mich aber nicht abhielt Roberti jedes Mal wieder einen Schrecken einzujagen. Irgendwie hatte ich Spaß daran. Spielte aber selber nie in diesem Spielhaus.

Wenn ich heute über meine Biestigkeit nachdenke muss ich schmunzeln, wie berechnend ein Kind sein kann, um an seine Ziele zu gelangen, um Macht zu haben, um sich auszuprobieren und um Erfahrungen zu machen. Was wäre wohl geschehen, wäre tatsächlich mal eine Spinne im Spielhaus gewesen, während ich dort spielte? Aber ich spielte ja nie im Spielhaus! Diese Erlebnisse lehrten mich, dass es wichtig ist, sich nicht unter Kinder einzumischen. Wenn ich mich erinnere, war das was ich machte, gut für meine Gewissensbildung, denn wirklich glücklich war ich nicht, wenn ich keinen Spielfreund mehr hatte. Ich hatte es mir ja selber versaut und ich hatte ein schlechtes Gewissen Robert gegenüber. Weil ich doch mochte. Außerdem spürte ich auch, dass seine Mama recht hatte mit dem was sie mir sagte, wenn sie schimpfte.

Wenn ich heute in der Erziehungsbegleitung coachen darf, weise ich darauf hin, dass Kinder Abenteuer brauchen, keine Beschäftigungstherapie. Und dass Langeweile die Kreativität fördert und auch die Gewissensbildung- das Kind muss die Konsequenzen tragen. So bitte ich die Eltern, wenn sie etwas mitbekommen was ihnen nicht gefällt, es erst zu beobachten, wie Kinder das regeln.

Mein großes Glück war, trotz aller Schwere, das sich niemand groß einmischte. Ich musste selber durch, musste selber regeln, bis auf einmal:

 

Zurück zu meiner Angst vor Strom.

Es kam der Tag X:

Mir war mal wieder langweilig, Robert war auch nicht da und ich drückte mich in der Küche des Gasthauses herum. Was nicht gern gesehen war. Da fand ich eine Haarnadel, so eine, wie die Oma sie in ihrem Haar hatte, am Boden der Küche. Ich schaute sie an und hatte eine Idee: Was wohl passieren würde, wenn ich die Nadel in eines der Löcher der vielen Steckdosen stecken würde? Gedacht, getan! Es knallte, alles stand still, Licht war aus.

Der Strom fiel aus, ich blieb unverletzt, vielleicht auch Dank meiner Gummistiefel. Ich schaute mich um. Meine Mama kam schockiert auf mich zu. Ich kann mich an ihre erste Reaktion nicht mehr erinnern. Aber ich erinnere mich an die grobe Reaktion der Wirtsleute, die deutlich signalisierte:  Ich war nicht mehr willkommen. Ich ging ihnen auf die Nerven.

Heute ist mir bewusst, dass nicht der Stromausfall mich traumatisiert hatten, sondern die Reaktion der Erwachsenen. Ich arbeitete viel an mir um das abgespaltene Gedächtnismaterial herauszuholen. Es wäre wichtig gewesen, mir Zeit zu lassen, zu verstehen, was ich ausgelöst hatte. Stattdessen gab es heftige Vorwürfe und Ablehnung.

Als sich alles beruhigt hatte, das Licht wieder anging und die Arbeit wieder seinen Lauf nahm, geschah etwas, was mir meine Mutter mehrmals vorlebte: Entscheidungen treffen!

Meine Mutter legte ihre Schürze ab, nahm mich wortlos an die Hand und kündigte. Hand in Hand gingen wir nach Hause. Das war ein schönes Gefühl.

Ihr Verhalten vermittelte mir Kraft. Ihre Konsequenz, die später oft unlogisch war, aber sie war eben auf ihre Art konsequent und authentisch. Sie lehrte mich Entscheidungen zu treffen und die Verantwortung zu übernehmen- sie hätte den Verdienst bestimmt brauchen können. Aber sie ging- mit mir! Nach diesem Erlebnis bekam ich einen Platz im Kindergarten.

Wenn ich mit Kindern arbeite spüre ich mich in sie hinein: Die Eltern bringen sie mir, weil sie z.B. Scheiße gebaut haben, geklaut oder gelogen…

Es ist erforderlich den Hilfeschrei in der Begebenheit zu erkennen. Das Kind abzuholen, nicht zu beurteilen, was es gerade geliefert hat. Es gibt kein „schlechtes“ Kind. Dem Kind wird das Gefühl gegeben: Mit dir stimmt was nicht! Deshalb musst du wohin!

Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Die Gesellschaft konditioniert Kinder die von sich denken: Ich bin ungenügend! Damit auch abhängig von Menschen im Außen, die das Allheilmittel kennen, egal ob Therapie, Medikamente oder Globuli. Doch keine Therapieform kann von sich behaupten absolut zu heilen. Das Momentane immer ganzheitlich zu betrachten und das Selbstbewusstsein und Vertrauen zu fördern. Das halte ich für ein großes Foul. Heilung findet mit der Erkenntnis statt: Ich bin gut so, wie ich bin!

Damit sich das Kind öffnet und sich mitteilt, braucht es eine geschützte Umgebung und eine Vertrauensplattform. Deshalb ist es wichtig, dass sich Eltern nicht mit Schuldgefühlen beschweren, sondern aktiv mitwirken an dem Konflikt, des Traumas, was das Kind blockiert. Dazu ist es sinnvoll, wenn sich die Eltern, oder zumindest ein Elternteil ihren eigenen Themen stellen und sich reflektieren und auch etwas ändern. Ansonsten wird das Kind permanent versuchen für seine Eltern in unterschiedlichster Weise etwas zu tun, damit sie glücklich und gesund sind.

 

Evam.so

 

 

 

 

 

 

 

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