Abschied und Neubeginn




Mit dem Schreiben dieser Zeilen befinde ich mich genau in der Lebensphase, vor der ich am meisten Angst hatte. Die Phase, in der sich meine Mutter langsam aus ihrem Leben verabschiedet, mit ihren 80 Jahren. Ich sitze an ihrem Bett, beobachte und höre ihren Atem.
Immer noch hält sie tapfer ihren Kopf nach oben, wie ein kleines Kind, was ohne es zu bemerken ein erwachsenes Leben führte, mit vielen märchenhaften Verkleidungen. Es gab Momente meines Lebens, wo ich aus Mitgefühl mit ihr in Tränen zerfloss, in tausend Bäche und Flüsse. Manchmal war ich fast am ertrinken, am sterben… Sie atmet schwer.
Wenn ich so liegen sehe, erinnere ich mich an unterschiedliche Momente. Momente der Vertrautheit, des absoluten Kontaktbruchs, Momente des Übergriffs und Momente der Lüge und des Verrats. Jeder einzelne Moment lehrte mich zu begreifen, wie vielschichtig Psyche ist.
Als Kind kann man eine Entgleisung der Psyche des Elternteils nicht benennen, jedoch spüren. Ich spürte: irgendwas ist schräg? Irgendwas fühlt sich eigenartig an!
Diese Psychose, die das Leben meiner Mutters einnahm zwang mich , als Kind Orientierung in mir zu finden.
Ich hatte lange gebraucht um mir die Erlaubnis zu geben Orientierung zu finden, um auszusteigen, aus der familiär gültigen Lebenslüge, um zu verstehen, zu verzeihen, wo es nichts zu verzeihen gab.
Ich hatte lange gebraucht um SIE zu durchschauen, ohne ihr zu grollen. Um mich zu durchschauen und noch länger hatte ich gebraucht SIE und die Zusammenhänge zu verstehen, sie gelten und loszulassen. Mir zu erlauben die immer wiederkehrenden Manipulationen meiner Mutter aufprallen zu lassen.
Zu erkennen und zu begreifen, dass die eigene Mutter psychisch krank ist, fordert viele Jahre. Eine Erkrankung, die in der Regel versteckt und unsichtbar für das Außen ist. Zu begreifen, dass ich nichts dafür konnte, nicht schuldig bin, mich nicht schämen brauche, dass ich an mich denken und glauben durfte.
Nach dem Begreifen folgte die Integration- nach der Integration die Transformation.
Und dann folgte die Erkenntnis: Alles geschieht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Gott mutet dir nichts zu, was du nicht schaffen kannst und woran du nicht wächst.
Fortsetzung folgt.